- Karl Rahner und der geheimnisvolle Gott
Wenn man als 17-jähriger Interesse an Theologie entwickelt, ist das in den 70-er Jahren des 20 Jhdts. nicht unbedingt selbstverständlich. Der verheißungsvolle Titel des Rahner-Buchs "Grundkurs des Glaubens" sollte mir Klarheit über den christlichen Glauben bringen. Leider war dies gar kein Basiswerk, sondern eine durchaus anspruchsvolle Grundlegung der Religionsphilosophie. Trotz allem wurde die Definition des unsagbaren, unbegreiflichen und unendlichen Geheimnisses, das man Gott nennt, eine maßgebliche Richtschnur mich. Auch die freie Selbstmitteilung dieses Gottes, die sich offenbar in der Menschheitsgeschichte ereignet hatte, erwies sich als hilfreich für das Verständnis des christlichen Glaubens.
Später erst entdeckte ich die andere Seite Karl Rahners, den Theopoeten, der nicht einfach nur komplizierte Sätze baute, sondern gefühlvolle, sehr tief berührende Texte schrieb. Diese finden sich in besonderer Weise in den folgenden Bücher (alle sind zumindest noch antiquarisch erhältlich):
- Von der Not und dem Segen des Gebets
- Gegenwart des Christentums
- Das große Kirchenjahr
- Unbegreiflicher - so nah
- Johann Baptist Metz und der ´geerdete´ Gott
Der Schüler Karl Rahners begründete die "Neue Politische Theologie". Wie kaum ein anderer akademischer Theologe war er von einer tiefen Empathie für den leidenden Menschen durchdrungen. Exemplarisch stehen dafür sein Projekt "Compassion", das er in Kooperation mit Schulen durchführte. Beeindruckend auch die nimmermüde Orientierung seiner Theologie an der Menschheitskatastrophe "Auschwitz" ("Kann man nach Auschwitz noch Theologie treiben?").
Somit steht das sog. Theodizee-Problem (die "Rechtfertigung Gottes" angesichts des Leids) unweigerlich im Zentrum seines Denken. Zum Leitmotiv wird ihm die "Gottesrede im Eingedenken fremden Leids".
Außerordentlich hellsichtig war seine Zeitanalyse, in der er schon früh von einer "Gotteskrise" sprach als Andere noch sehr mit der Kirchenkrise beschäftigt waren. Die darauf folgenden Jahrzehnte bestätigten ihn darin, dass Letztere nur im Zusammenhang mit dem verheerenden Glaubensverlust (mindestens) westlicher Gesellschaften gedacht und verstanden werden kann. - Bernhard Welte und das Licht des Nichts
Der Religionsphilosoph und Priester Bernhard Welte betrat meinen geistigen Horizont leider viel zu spät. Sein Buch "Religionsphilosophie" ist ungleich leichter zu lesen als vergleichbare Werke, doch nicht minder scharfsinnig und grundlegend.
Faszinierend ist zudem sein Büchlein vom "Licht des Nichts". Mir ist bisher kein vergleichbares Werk bekannt, in dem ein Religionsphilosoph eine Brücke schlägt zwischen dem Nihilismus (Verneinung der Existenz einer Wirklichkeit) und der Existenz des Göttlichen ("das Licht im Nichts"). Gleichzeitig gelingt ihm das Kunststück auch asiatische Religionen, besonders den Buddhismus, in diese Idee des "göttlichen Nihilismus" zu integrieren. - Fridolin Stier - Sprachgenie und Gottsucher
In den 90-er Jahren begegneten mir die Tagebuchaufzeichnungen des Alttestamentlers und Orientalisten Fridolin Stier. Der Titel ist "Vielleicht ist irgendwo Tag". Sie haben einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Ein derart zähes ("nachhaltiges") Ringen mit Gott war mir bis dato nicht begegnet. Vor meinem geistigen Auge erschien mir immer wieder der Kampf Jakobs mit Gott. So wurde er mir der "Spurensucher" schlechthin (s.a. Zitat auf meiner Einstiegsseite) und damit auch zu meinem wichtigsten "Wegbegleiter" der letzten Jahre.
Stier galt darüber hinaus als Sprachgenie, der viele Bibelübersetzungen direkt aus den Originaltexten verfasste. Außer in diesen wertvollen Werken "überlebte" er auch in den Gebeten und Meditationen seiner Schülerin, Eleonore Beck. Herausragend sind ihre einfühlsamen Meditationen und gescheiten Einführungstexte in der ´Gemeindebibel´, die bis heute eine große Hilfe für das Textverständnis darstellt (z.B. für Lektoren).
Kurzer Lebenslauf:
Andreas Kirchhoff, Dr. rer.nat., geb. 1960. Geochemiker. 34-jährige Tätigkeit in öffentlichem Dienst und Industrie. Zentrales Hobby: Religionsphilosophie.